In der heutigen, von digitaler Vernetzung geprägten Welt ist der Zugang zu Glücksspielen leichter denn je. Sportwetten, Onlinepoker und Lotterien sind nur einige der unzähligen Möglichkeiten, die das Internet bietet, um auf das schnelle, verlockende Glück zu setzen. Diese Aktivitäten sind für viele Menschen einfach eine Form der Unterhaltung, die Spannung und ein gewisses Maß an Nervenkitzel in den Alltag bringt. Doch für manche entwickelt sich das Spiel zu einer gefährlichen Sucht, die mehr ist als nur eine vorübergehende Leidenschaft – sie wird zu einem Doppelleben, das von Geheimnissen, Lügen und einer stetig wachsenden Unkontrollierbarkeit geprägt ist.
Die Verführung des schnellen Gewinns
Was Menschen zunächst als harmloses Hobby oder gelegentliches Abenteuer ansehen, kann für andere schnell zu einer zermürbenden Abhängigkeit werden. Glücksspiele appellieren an tief verwurzelte menschliche Bedürfnisse: die Suche nach Aufregung, das Streben nach einem schnellen Gewinn und das Streben nach Erfolg in einer Welt, die zunehmend von der Vorstellung geprägt ist, dass Erfolg und Wohlstand jederzeit erreichbar sind – wenn man nur den richtigen Moment abpasst.
Bei Sportwetten etwa wird der Wettende nicht nur von der Spannung des Spiels gefesselt, sondern auch von der Vorstellung, durch strategisches Wissen und Intuition einen Gewinn zu erzielen. Bei Onlinepoker wird das Gefühl die Kontrolle zu haben verstärkt. Hier geht es um mehr als Glück – es wird ein Bild von Können und Geschick vermittelt. Lotterien bieten darüber hinaus mit ihren riesigen Jackpots die Illusion, dass der „große Moment“ gleich um die Ecke stehen könnte. Es ist der berauschende Gedanke, plötzlich auf der Siegerseite des Lebens zu stehen – der Traum vom schnellen Reichtum, der durch das Drehen eines Rades oder das Setzen auf die richtige Zahl wahr werden könnte.
Das Doppelleben der Glücksspielsucht
Einleitend lässt sich sagen, dass die Entwicklung einer Spielsucht oft schleichend und unbemerkt beginnt, bis sie schließlich das gesamte Leben der Betroffenen dominiert.
- Der schleichende Beginn: Für viele Menschen, die von einer Spielsucht betroffen sind, beginnt der Abstieg in das Doppelleben unauffällig. Zunächst bleibt der Umgang mit Glücksspielen eine Nebensache, ein gelegentlicher Ausbruch aus der Routine, ein kleiner Nervenkitzel, den man sich von Zeit zu Zeit gönnt.
- Die Übernahme der Kontrolle: Doch dann kommt der Punkt, an dem das Spiel die Kontrolle übernimmt – der Zeitpunkt, an dem die Grenzen verschwimmen und das Spiel nicht mehr nur eine Aktivität bleibt, sondern ein unaufhörliches Bedürfnis wird.
- Die Verschleierung der Wahrheit: Das Doppelleben von Glücksspielsüchtigen ist von einer tiefen Verschwiegenheit und Lügen geprägt. Der Suchtprozess ist nicht nur eine schleichende Veränderung im Verhalten, sondern auch eine Verschleierung der Wahrheit gegenüber Freunden, Familie und Kollegen. Die Realität wird umgedeutet und in einer Parallelwelt entfaltet sich ein intensives Streben nach dem nächsten Gewinn – koste es, was es wolle.
- Der unaufhaltsame Drang nach dem Gewinn: Während das äußere Leben unberührt bleibt, wächst im Verborgenen die Sucht, die den Alltag der Betroffenen zu dominieren beginnt. Viele Glücksspielsüchtige erleben eine tiefe innere Zerrissenheit. Sie führen ein Leben in zwei Welten: eine nach außen hin funktionierende Existenz, in der sie ihre wahren Bedürfnisse und Ängste hinter einer Fassade verstecken, und eine andere, die von der ständigen Jagd nach dem nächsten großen Gewinn, den ständigen Lügen und der Verzweiflung geprägt ist.
- Die zunehmende Isolation: Das Gefühl, von der eigenen Sucht getrieben zu werden, geht mit einer zunehmenden Isolation einher. Der Drang, das Spiel weiterzuspielen, wird zur obersten Priorität – während soziale Bindungen, familiäre Beziehungen und berufliche Verantwortung langsam in den Hintergrund treten.
Die psychologischen Mechanismen der Sucht
Die Psychologie hinter der Glücksspielsucht ist ebenso komplex wie die Sucht selbst. Glücksspiele aktivieren das Belohnungssystem im Gehirn, indem sie das Gefühl von Freude und Euphorie auslösen, sobald ein Gewinn erzielt wird. Diese positiven Gefühle sind nicht nur angenehme Nebeneffekte, sondern werden tief im Gehirn verankert und lösen den Wunsch nach weiteren Erlebnissen aus. Der menschliche Geist ist von Natur aus auf Belohnungen konditioniert und Glücksspiele bieten eine sofortige, wenn auch flüchtige Belohnung – eine Möglichkeit, dem Leben zu entkommen und den Alltag hinter sich zu lassen.
Psychologische Mechanismen:
- Dopaminausschüttung: Die Freude beim Gewinnen wird durch die Ausschüttung von Dopamin im Gehirn ausgelöst, was den Spieler für weitere Spielrunden belohnt.
- Instant Gratification: Glücksspiele bieten eine sofortige Belohnung, die das Bedürfnis nach schnell erfülltem Glück weckt.
Doch das Problem entsteht, wenn der Körper und Geist zunehmend auf diese Belohnung angewiesen sind, um Freude zu empfinden. Es entstehen Toleranzen und der Suchtkreislauf beginnt. Der Gewinn ist nicht mehr genug – das Bedürfnis nach mehr, nach größeren Gewinnen oder der Sehnsucht nach dem höheren Adrenalinrausch wird zur treibenden Kraft. In diesem Zustand des Spiels wird die Realität verzerrt und der Verlust wird als vorübergehendes Unglück wahrgenommen, das nur durch den nächsten Einsatz überwunden werden kann.
Zentrale Faktoren:
- Toleranzentwicklung: Spieler benötigen immer größere Einsätze, um denselben Euphorie-Effekt zu erzielen.
- Verzerrte Wahrnehmung: Verluste werden als kurzfristige Rückschläge gesehen, die durch weitere Einsätze wieder „richtiggestellt“ werden können.
Ein weiteres psychologisches Element der Glücksspielsucht ist der Rückschlageffekt. Dies bedeutet, dass der Spieler nach einem Verlust eine noch größere Lust verspürt es erneut zu versuchen, in der Hoffnung, den Verlust wieder wettzumachen und das Gefühl des Versagens zu überwinden. Dieser Zustand, der auch als Verlustaversion bezeichnet wird, kann dazu führen, dass die betroffene Person immer größere Summen riskiert, um einen vermeintlichen Wiederaufbau zu erreichen. Konditionierungseffekt: Das Gehirn wird durch wiederholte Erfahrungen darauf trainiert, mit der Hoffnung auf eine positive Wendung zurückzukehren.
Die Grenze zwischen einem harmlosen Einsatz und einer gefährlichen Sucht ist dabei fließend und wird oft erst dann erkannt, wenn es zu spät ist.
Die Konsequenzen eines Doppellebens
Das Doppelleben der Glücksspielsüchtigen hat tiefgreifende Folgen – nicht nur für die betroffene Person selbst, sondern auch für das Umfeld. Beziehungen zu Freunden, Partnern und Familienmitgliedern werden oft belastet, da die ständigen Lügen und das Verheimlichen der wahren Situation das Vertrauen zerstören. Finanzielle Probleme entstehen durch immer höhere Einsätze und viele Glücksspielsüchtige geraten zunehmend in die Schuldenfalle. Der ständige Druck, das Spiel fortzusetzen, um aus der Schuldenkrise herauszukommen, verstärkt das Gefühl der Ausweglosigkeit.
Der soziale Rückzug und die innere Zerrissenheit führen zu einer dramatischen Verschlechterung der Lebensqualität. Schlafstörungen, Angstzustände, Depressionen und sogar körperliche Beschwerden sind nicht selten Begleiterscheinungen einer unkontrollierten Spielsucht. Doch der Weg zur Heilung ist möglich – er erfordert jedoch den Mut sich der Sucht zu stellen und sich Hilfe zu suchen.
Der Weg zur Heilung: Den Kreislauf durchbrechen
Die Überwindung der Glücksspielsucht ist eine anspruchsvolle, aber nicht unmögliche Reise. Sie beginnt mit der Einsicht, dass das Spiel nicht mehr unter Kontrolle ist und dass das Doppelleben, das der Süchtige führt, nur zu weiterem Schmerz und Zerstörung führen wird. Professionelle Hilfe in Form von Psychotherapie, Gruppentherapie oder speziellen Beratungsstellen für Glücksspielsüchtige kann dabei eine wichtige Unterstützung bieten.
Wichtig ist, dass Betroffene erkennen, dass sie nicht allein sind. Die Sucht ist eine Krankheit, die anerkannt und behandelt werden kann. Der Weg zur Heilung erfordert Geduld, Selbstreflexion und den Willen, die Kontrolle zurückzugewinnen. Schritt für Schritt kann das Doppelleben hinter sich gelassen werden, um ein Leben in Einklang mit sich selbst und der Realität zu führen.
Quellenangaben
Müller, A., Wölfling, K., Müller & K. W. (2018). Verhaltenssüchte - Pathologisches Kaufen, Spielsucht und Internetsucht. Hogrefe, Göttingen.
Wölfling, K. (2023). Ratgeber Glücksspielsucht: Informationen für Betroffene und Angehörige. Hogrefe, Göttingen.
