Manchmal spürt man eine Anwesenheit im Raum, ohne jemanden zu sehen. Es ist, als ob ein Schatten in der Peripherie auftaucht oder als ob eine unbekannte Kraft uns beobachtet. Dieses Phänomen nennt sich gefühlte Präsenz und kann in verschiedenen Kontexten auftreten – von harmlosen Momenten der Einbildung bis hin zu ernsthaften psychischen Erkrankungen wie Psychosen.

Was ist eine gefühlte Präsenz?


Die gefühlte Präsenz beschreibt das subjektive Erleben, dass sich eine unsichtbare Entität in der Nähe befindet – obwohl keine reale Person oder physische Ursache dafür erkennbar ist. Menschen, die dieses Phänomen erleben, berichten oft von einem vagen Gefühl der Gesellschaft oder Beobachtung, das jedoch nicht auf visuelle oder akustische Reize zurückzuführen ist.

Typische Merkmale einer gefühlten Präsenz:

  • Subjektives Empfinden einer fremden Anwesenheit trotz fehlender äußerer Hinweise
  • Begleitende sensorische Wahrnehmungen wie Kältegefühle, leichte Berührungen oder unbestimmte Geräusche
  • Gefühl des Beobachtetwerdens oder einer nicht greifbaren Nähe
  • Keine nachweisbare Quelle für die Wahrnehmung (keine physische Präsenz im Raum)

Wer erlebt eine gefühlte Präsenz?


Das Phänomen kann bei psychisch gesunden Menschen ebenso auftreten wie bei Menschen mit psychischen Erkrankungen. Es kann beispielsweise durch Schlafmangel, Isolation, Stress oder emotionale Belastung ausgelöst werden. In einigen Fällen tritt es jedoch auch im Rahmen von neurologischen oder psychiatrischen Störungen, wie Schizophrenie oder posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), auf.

Mögliche Ursachen für das Phänomen


Die gefühlte Präsenz kann aus einer Vielzahl von psychologischen, neurologischen und physiologischen Faktoren entstehen:

  1. Schlafparalyse und hypnagogische Halluzinationen
    Im Zustand zwischen Wach und Schlafen kann das Gehirn Sinnesreize falsch interpretieren. Viele Menschen berichten, dass sie während einer Schlafparalyse das Gefühl haben, dass jemand in der Nähe ist, oft begleitet von visuellen oder auditiven Halluzinationen.
  2. Sensorische Deprivation
    Fehlen sensorische Reize, kann das Gehirn anfangen eigene Wahrnehmungen zu generieren. Dies erklärt, warum Menschen in dunklen Räumen, in der Isolation oder sogar Bergsteiger in Extremsituationen von gefühlten Präsenzen berichten.
  3. Neuropsychologische Ursachen
    Forschungen zeigen, dass Schädigungen oder Fehlfunktionen bestimmter Gehirnregionen, wie dem Parietallappen oder dem temporoparietalen Übergangsbereich, mit gefühlten Präsenzen in Verbindung stehen. Diese Regionen sind für die Selbstwahrnehmung und die Unterscheidung zwischen Selbst und anderen zuständig.
  4. Psychiatrische Erkrankungen
    Menschen mit Schizophrenie oder anderen psychotischen Störungen berichten häufig von solchen Wahrnehmungen. Sie erleben diese oft intensiver als Menschen ohne eine psychiatrische Diagnose, manchmal verbunden mit Stimmenhören oder Verfolgungswahn.
  5. Stress und Traumata
    Hoher Stress, emotionale Belastung oder posttraumatische Belastungsstörungen können das Gefühl erzeugen, dass jemand anwesend ist. Das Gehirn verarbeitet intensive Emotionen und Erinnerungen auf eine Weise, die zu diesen Empfindungen führen kann.
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Photo by Rene Böhmer / Unsplash

Ist eine gefühlte Präsenz immer ein Zeichen einer Psychose?


Nicht zwangsläufig. Das Erleben einer gefühlten Präsenz ist an sich noch kein Hinweis auf eine psychische Erkrankung. Viele Menschen machen im Laufe ihres Lebens Erfahrungen mit solchen Wahrnehmungen, ohne dass dies auf eine ernsthafte Störung hinweist.

Wann ist eine gefühlte Präsenz harmlos?


In vielen Fällen tritt eine gefühlte Präsenz situationsbedingt und vorübergehend auf. Mögliche harmlose Ursachen sind:

  • Müdigkeit und Erschöpfung: Übermüdete Menschen neigen dazu, ihre Umgebung verzerrt wahrzunehmen.
  • Stress und Angst: Hoher psychischer Druck kann das Gefühl erzeugen, nicht allein zu sein.
  • Sensorische Deprivation: Fehlen äußere Reize (z. B. Dunkelheit, Stille, Isolation), kann das Gehirn eigene Wahrnehmungen erschaffen.
  • Hypnagoge oder hypnopompe Halluzinationen: In den Übergangsphasen zwischen Schlaf und Wachsein sind Sinnestäuschungen nicht ungewöhnlich.

In solchen Fällen verschwindet die Wahrnehmung oft schnell wieder oder tritt nur in speziellen Situationen auf.

Wann könnte eine gefühlte Präsenz auf eine tiefere Störung hinweisen?


Falls diese Wahrnehmungen jedoch häufig, intensiv oder stark beängstigend sind, könnte dies auf eine psychische oder neurologische Erkrankung hindeuten. Mögliche Warnzeichen:

  • Regelmäßige oder anhaltende Erlebnisse einer gefühlten Präsenz
  • Begleiterscheinungen wie Stimmenhören oder visuelle Halluzinationen
  • Starke Angst- oder Verfolgungsgefühle durch das Erlebnis
  • Beeinträchtigung des Alltags durch wiederkehrende Wahrnehmungen

Besonders bei Erkrankungen wie Schizophrenie, schweren Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) kann eine gefühlte Präsenz Teil eines umfassenderen Wahrnehmungsproblems sein. In diesen Fällen ist es ratsam professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um die Ursache abzuklären.

Der Umgang mit gefühlten Präsenzen

Für Menschen, die wiederholt das Gefühl haben eine unsichtbare Präsenz zu spüren und darunter leiden, gibt es verschiedene Strategien, um diese Wahrnehmungen zu bewältigen. Es ist wichtig einen konstruktiven Umgang mit diesen Erlebnissen zu finden, damit sie nicht zu einer belastenden oder gar angstauslösenden Erfahrung werden.

1. Realitätscheck: Hinterfragen der Wahrnehmung


Eine der wichtigsten Techniken im Umgang mit einer gefühlten Präsenz ist die bewusste Selbstbefragung, um die Wahrnehmung kritisch zu reflektieren:

  • Was spricht tatsächlich dafür, dass jemand anwesend ist? Gibt es objektive Hinweise oder ist es eher ein subjektives Empfinden?
  • Gibt es rationale Erklärungen? Könnte Müdigkeit, Dunkelheit, Stress oder eine andere äußere Bedingung diese Wahrnehmung beeinflussen?
  • Tritt das Phänomen in bestimmten Situationen verstärkt auf? Beispielsweise in stressreichen Zeiten, bei Schlafmangel oder in dunklen, isolierten Räumen?

Durch das bewusste Überprüfen der Realität kann oft eine klare Abgrenzung zwischen tatsächlichen Sinnesreizen und subjektiven Empfindungen geschaffen werden.

2. Entspannungstechniken: Die Wahrnehmung regulieren


Wenn gefühlte Präsenzen mit Angst oder Anspannung einhergehen, können verschiedene Entspannungstechniken helfen das Erleben zu beruhigen und die Selbstkontrolle zu stärken:

  • Meditation: Achtsamkeits- oder geführte Meditationen können helfen das eigene Bewusstsein zu fokussieren und Ängste zu reduzieren.
  • Atemübungen: Langsame, tiefe Atmung (z. B. die 4-7-8-Methode) kann das Nervensystem beruhigen und stressbedingte Wahrnehmungen abschwächen.
  • Achtsamkeitstraining: Durch gezielte Aufmerksamkeit auf die Gegenwart lässt sich verhindern, dass das Gehirn in angstauslösende Gedankenmuster abdriftet.

Regelmäßiges Training dieser Techniken kann dazu beitragen, dass gefühlte Präsenzen an Intensität verlieren oder als weniger beängstigend empfunden werden.

3. Gesunder Lebensstil: Gehirn und Psyche stabilisieren


Ein gesunder Lebensstil spielt eine wichtige Rolle für die Stabilität des Geistes und kann dazu beitragen, dass solche Wahrnehmungen seltener auftreten. Folgende Maßnahmen können helfen:

  • Ausreichender Schlaf: Schlafmangel kann Halluzinationen und Wahrnehmungsverzerrungen begünstigen. Eine regelmäßige Schlafhygiene kann dem entgegenwirken.
  • Körperliche BewegungSport und Bewegung helfen Stress abzubauen und sorgen für eine bessere mentale Balance.
  • Ausgewogene Ernährung: Eine gesunde Ernährung mit ausreichend Nährstoffen unterstützt die Gehirnfunktion und kann psychische Stabilität fördern.
  • Soziale Kontakte: Der Austausch mit anderen Menschen kann helfen sich zu erden und das Gefühl von Isolation oder Unsicherheit zu reduzieren.

4. Therapeutische Hilfe: Unterstützung in Anspruch nehmen


Wenn gefühlte Präsenzen regelmäßig auftreten, belastend sind oder Ängste auslösen, kann es sinnvoll sein professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein erfahrener Psychotherapeut oder Psychiater kann helfen die Ursachen dieser Wahrnehmungen zu klären und geeignete Behandlungsmethoden vorzuschlagen.

  • Gesprächstherapie: Kann helfen Ängste zu verarbeiten und die Wahrnehmung neu zu bewerten.
  • Kognitive Verhaltenstherapie: Unterstützt Betroffene dabei dysfunktionale Denkmuster zu erkennen und zu verändern.
  • Medizinische Abklärung: Falls neurologische oder psychiatrische Ursachen im Raum stehen, kann eine fachärztliche Untersuchung Klarheit schaffen.

Quellenangaben

Finzen, A. (2019). Schizophrenie: Die Krankheit verstehen, behandeln, bewältigen. Psychiatrie Verlag, Köln.

Jordan, W. (2018). Psychotherapie bei Psychosen: Ein psychiatrisch-psychotherapeutischer Leitfaden zum Verstehen und Behandeln von Menschen mit Psychose. Kohlhammer, Stuttgart.