Wenn wir an Psychotherapie denken, haben wir neben intensiver Arbeit von Patient:innen und Therapeut:innen vor allem das Therapieende und die damit verbundene Hoffnung auf eine Symptomreduktion und den Start in ein neues Leben vor Augen. Doch wenn es dann wirklich naht, kommen bei vielen Patient:innen gemischte Gefühle auf. Schaffe ich das schon alleine? Was ist, wenn ich in alte Muster zurückfalle? Und bei einem Klinikaufenthalt: Wie wird der Weg zurück in den Alltag?

Gesund nach Therapieende?


Jede/r Patient:in wünscht sich diese Frage nach einer Psychotherapie mit „Ja“ beantworten zu können. Doch ab wann ist man gesund? Bei psychischen Erkrankungen ist es nicht wie bei einer Grippeinfektion, bei der der Grad der Verbesserung an der wieder freien Nase und der niedrigeren Zahl auf dem Fieberthermometer eindeutig abgelesen werden kann. Es ist vielmehr subjektiv – haben Patient:innen das Gefühl es geht ihnen besser, dann war die Therapie erfolgreich! Jedoch können auch die Therapeut:innen gut einschätzen, ab wann die Patient:innen wieder über genügend eigene Ressourcen und Strategien verfügt um seinen Alltag alleine zu meistern. Es gibt jedoch natürlich auch Fälle, bei denen die Therapie oder der stationäre Aufenthalt enden müssen, weil das Stundenkontingent aufgebraucht ist und die Patient:innen sich noch nicht so weit fühlen, wie sie gerne wären. In allen Fällen ist das Befinden eine Momentaufnahme und es ist völlig normal, dass es auch nach Therapieende wieder herausfordernde Momente geben wird – was den letzten Abschnitt der Therapie und die Vorbereitung auf das Leben danach umso bedeutsamer macht. 

Die Phase der Rückfallprophylaxe


Egal wie lange die Psychotherapie war – es hat viel gemeinsame Arbeit stattgefunden, ein Beziehungs- und Vertrauensaufbau und die Therapeut:innen sind für viele Patient:innen bereits Teil ihres Lebens geworden. Ein Teil, der über einen gewissen Zeitraum hinweg viel Sicherheit gegeben hat, mit der viele Schritte in Richtung Besserung erst gegangen werden konnten. Aus diesem Blickwinkel heraus ist es ganz normal, dass ein vermeintliches aufgeben dieser Umstände eine gewisse Unsicherheit erzeugt. Ein guter Therapieabschluss ist deswegen essentiell um Erfolge aufrechterhalten und einer erneuten Verschlechterung vorbeugen zu können. In der Phase der Rückfallprophylaxe werden nochmal alle gegangenen Schritte reflektiertgeschaut was geholfen hat positive Veränderungen zu erreichen und Strategien erarbeitet, die den Patienten bei der weiteren Genesung sowie bei Rückfällen in alte Muster helfen können.

Risikofaktoren für einen Rückfall in alte Muster


Zur Rückfallprophylaxe gehört auch ganz konkret Risikofaktoren zu benennen, die eine erneute Verschlechterung der Symptomatik auslösen können. Neben ganz individuellen Umständen sind folgende Faktoren für alle Patient:innen eine potentielle Gefahr: 

Stress und Überlastung: Ob im Beruf, in der Familie oder auch in der Freizeit – Viele Patient:innen haben nach einer langen Zeit, in der sie durch ihre Krankheit eingeschränkt waren, das Gefühl ganz viel nachholen zu müssen und neigen dazu sich in vielen Bereichen zu übernehmen. Auch der Wiedereinstieg in das Berufsleben kann ganz schön herausfordernd sein. Gerade nach einer Erkrankung gilt es besonders auf das Stresslevel zu achten und sensibel für die eigenen Bedürfnisse zu sein. 

Zu hohe Ansprüche: Oft erwarten Patient:innen nach einer Therapie ein völlig neuer Mensch zu sein und ab sofort alle noch so herausfordernden Situationen mit links meistern zu können. Zum Teil ist das natürlich auch so, jedoch ist es auch ganz normal hin und wieder von der Vergangenheit oder alten Denk- und Verhaltensmustern eingeholt zu werden. Es braucht Zeit um neue Erinnerungen zu schaffen und diese die alten überwiegen zu lassen.

Verunsicherung durch Rückschläge: Wie bereits erwähnt ist auch nach einer Therapie der Heilungsprozess nicht linear und es gibt immer Höhen und Tiefen. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig diese offen anzunehmen und weiter an sich zu glauben und nicht aufzugeben. Leider liegt der Fokus sehr oft auf den Dingen, die noch nicht geschafft werden und viel zu wenig auf den kleinen Erfolgen und Veränderungen, die ebenfalls jeden Tag gefeiert werden können.

Was sie vorbeugend tun können


Nun, jetzt sind die Risikofaktoren bekannt – doch was können Patient:innen nach Therapieende aktiv tun um nicht wieder in alte Muster zu fallen? Zuallererst, halten Sie zum Ende der Therapie (am besten schriftlich) alle erlernten Strategien und Fertigkeiten fest. Schauen Sie sich diese Übersicht ruhig regelmäßig an um sie zu verinnerlichen. Wenn es doch einmal nicht rund läuft, hinterfragen Sie auch warum das so ist und was sie zukünftig für sich in diesen Situationen tun können. Zu verstehen warum es einem in gewissen Situationen nicht gut geht oder warum man auf eine bestimmte Weise handelt, gibt viel Sicherheit. Darüber hinaus gibt es auch einige Maßnahmen, die störungsübergreifend stabilisierend wirken:

  • Entspannungsverfahren wie Meditation oder progressive Muskelentspannung
  • Achtsamkeitsübungen
  • Jegliche Art von Bewegung
  • Ein geregelter Schlafrhythmus
  • Regelmäßige soziale Kontakte
  • Gesunde Ernährung
  • Verzicht auf Substanzmittel
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Achten Sie auf Frühwarnzeichen!


Eine erneute Verschlechterung der Symptomatik kommt in den meisten Fällen nicht von heute auf morgen und oft wird sie erst erkannt, wenn es zu spät ist und die alten Denk- und Verhaltensmuster wieder voll im Gange sind. Es lohnt sich an der Stelle auch Freund:innen und Familie zu bitten, bei folgenden Anzeichen hellhörig zu werden:

  • Schlafprobleme
  • Dauerhafte Erschöpfung
  • Konzentrationsprobleme
  • Appetitverlust oder -steigerung
  • Sozialer Rückzug
  • Stimmungsschwankungen
Wichtig: Nicht jede schlechte Gefühlslage bedeutet eine langfristige Verschlechterung. Wenn Sie unsicher sind, halten Sie ihre Gedanken in einer Art Stimmungstagebuch fest, sodass Sie nachvollziehen können, wie lange Sie sich so gefühlt haben und ob es sich um eine längere Phase oder nur eine kurze Momentaufnahme handelt.

Und wenn Sie doch rückfällig werden...


…Dann ist es ganz wichtig für diesen Moment einen Plan zu haben! Diesen zu entwerfen gehört auch zu den Aufgaben in den letzten Therapiestunden. Der Plan sollte konkret beinhalten was sie in diesem Falle tun können und wen sie um Hilfe bitten. Haben Sie in Notfällen die Nummer Ihres/Ihrer Therapeut:in sowie auch die einer stationären Klinik zur Hand. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Angebote wie die anonyme Beratung der Telefonseelsorge (https://online.telefonseelsorge.de/) oder den rund um die Uhr verfügbaren Krisenchat (https://krisenchat.de/). Zögern Sie auch nicht Unterstützung in Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen vor Ort zu suchen.

Quellenangaben

Schnell, Thomas: Das Ende in der Psychotherapie erfolgreich gestalten. Berlin, 2017.